ein tag (English: a day; Berlin: hochroth Verlag; 2014) is the first poetry book by Rozalie Hirs in German, translated by the author and Ard Postuma. The poems are selected from Rozalie Hirs’ poetry books gestamelde werken (Amsterdam: Querido, 2012), Geluksbrenger (Amsterdam: Querido, 2008), [Speling] (Amsterdam: Querido, 2005), and Logos (Amsterdam: Querido, 2002). Some of the German translations by the author appeared before in Akzente Heft 2/April (München: Carl Hanser Verlag, 2005), Bohrmaschine (Berlin: Akademie der Künste, 2005), and Sprachbuch (Stuttgart: Ernst Klett Verlag, 2003).

hochroth Verlag
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Rozalie Hirs: EIN TAG / EEN DAG. Gedichte
Niederländisch / Deutsch (von Ard Posthuma & Rozalie Hirs)
40 Seiten, Broschur – 8 €
hochroth Verlag
Berlin 2014
ISBN: 978-3-902871-50-3

contents

1. poems selected from ein tag
1.1. (bild)
1.2. (zunge)
1.3. (auge)
1.4. (luftschiff)
1.5. (ray)
1.6. (duchamp)

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Listen to the author’s reading of the poetry cycle ‘a day’ [1-3] in its original language (Dutch) and read translations in german (‘ein tag’), english (‘a day’), french (‘un jour’), lithuanian (‘diena)’, spanish (‘un día’), russian (‘день’), albanian (‘një ditë’), swedish (‘en dag’), chinese (‘一天’) at lyrikline, Berlin, Germany (click here).

poems selected from ein tag

(bild)

wie ein bild sich in sprache haut, deine
stimme aufspringt, dein herz verschießt,

deine rose überläuft – der wein
in eichen ist, kelch in steinen,

der tisch honig summt und
die eule mit wald deinen mund entläßt –

gehört wald seinen knochen, feuer
seiner vollendung, was asche – was du?

[German translation by the author]

(zunge)

ruht und handelt – eine – zunge in uns –
geburtsgegeben – lebend –
enthüllt in der Umarmung –

zittert kahl – ein – beben in uns
schüttelt sich aus uns – zu knochen –
haar – haut – und bleibt – endlichkeit –

geschmack – und macht – vielleicht – wahr
zu einer geschichte – anwesenheit –
in – mir – niemals gegenwärtiger –

bestimmung – ist vielleicht genau –
dort in umlauf geraten – ein – mensch
und du – du also – bis jetzt – und hier?

[German translation by the author]

(auge)

wann werde ich auge?
wann gibst du mir
schuhe aus glas, voll lebendigem wasser,
grün, mit einem herzen,
so wie du – von wasser umgeben,
bist du ein schöner kieselstein
mit einer glänzenden haut,
die kleinen klussfüßen passt
wie zeitwein. Ich fließe
durch dein auge, eben so grün
im blut, da du zuschaust
und ich trinke und du wahnsinnig glänzt,
dann nimmt der rausch uns
mit, schenkt uns fort
durch einen blick – einen sinn.

[German translation by the author]

(luftschiff)

in einer fransigen flocke damals
scheint etwas wolke auf
heute und die windlocke
auf meiner flügelklappe, am ende eiskies
und die sonne in der tonne,
die nicht da ist, wenn ich dich vermisse.
meine frage befühlt deine küste,
dort zieht etwas ankunft aus meinem bug,
sieht wie kinderleicht das ist:
zuckerschnee, landperlen, sandkuchen,
silbermeer nehm ich mit.
und die Insel dann?
lass zurück – auge, fort, apfelweiß.
wie weiß die Erde
über ihren kopf
und kuppen streicht: zebrapfad
schwingt. lippe kräuselt, braue springt,
und verschwindet, von schippe
zu schiff.

[German translation by the author]

(ray)

auf dem bauch in der badwanne,
das gesicht eben über dem sehr heissen
wasserspiegel, versuche ich, ein
auge zu fassen, eben
unter der oberfläche, vor der tiefe –
aber alles, was ich sehe, sind werke
von duchamp, zum beispiel, oder man
ray, ernst, magritte, oursler,
einst mir anvertraut von
unbewusst aufbewahrten schauenden,
vielen augen, frauenaugen, fisch-
augen, einer wanne voller
augen. beim Schritt aus dem wasser
rinnen sie einen körper entlang hin-
unter, das metronom mit dem verlassene-liebe-zu-
verhasster-liebe-gewordenen-
(wie es öfter vorkommt)-auge, in der luft
mit toten-fliegen-in-einem-augenkasten
oder war es ein fuß?
die luft befeuchten mit allen
gut durchbluteten runden planeten
und sonnensystemen.

[German translation by the author]

(duchamp)

auf das feld kannst du schauen
durch ein loch in diesem zaun,
von dem du denkst, er
sei eine scheune, in die du denkst hineinzu-
schauen, aber plötzlich schaust
du hinaus. da-
hinten liegt tod,
eine frau, pastorales idyll
der malerei,
dort liegt sie in allen ländern
der welt, seelenlos
aufgestapelte
masse Frau, ihr körper nicht wegzu-
denken, atemberaubend fault
der frühling unter
süßem wiegendem
baum, nicht sichtbarer, bleibender zeuge sein,
eine haut entfällt dem Bild, im weißen
rauschen eines Testtons. die
ehrerbietung – vierhundertvierzig hertz,
und blutrot ihr bild behalten. Ihren
namen nicht kennen, ihr
geliebter nicht sein,
ihre sprache nicht. die frau fängt nie an,
ihre geschichte nicht zu ende erzählt
von einem mann auf dem feld.

[German translation by the author]